Klin Monbl Augenheilkd 2017; 234(03): 280-288
DOI: 10.1055/s-0043-103962
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Next-Generation Sequencing: Quantensprung für Forschung und Diagnostik in der Ophthalmologie

Next-Generation Sequencing: A Quantum Leap in Ophthalmology Research and Diagnostics
H. J. Bolz
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Köln
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Publication History

eingereicht 24 January 2017

akzeptiert 31 January 2017

Publication Date:
29 March 2017 (online)

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Zusammenfassung

Viele Augenerkrankungen können erblich bedingt sein und weisen oft eine ausgeprägte genetische Heterogenität auf, d. h. sie können durch Mutationen in vielen verschiedenen Genen verursacht werden. Dies trifft besonders auf die Netzhautdystrophien zu: Mehr als 200 Gene sind für die isolierten Formen (z. B. Lebersche kongenitale Amaurose, Retinitis pigmentosa, Zapfen-Stäbchen-Dystrophie, kongenitale stationäre Nachtblindheit) und für Syndrome, bei denen zusätzlich Dysfunktionen oder Fehlbildungen anderer Organsysteme vorliegen, bekannt. Die gezielte Auswahl einzelner Gene für die Diagnostik war bislang schwierig und ihre Analyse mit der DNA-Sequenzierung nach der Sanger-Methode extrem aufwendig: Das Krankheitsbild lässt selten einen Rückschluss auf das betroffene Gen zu, und die Häufigkeiten von Mutationen der einzelnen Gene etwa bei der LCA waren nur unzureichend bekannt. Umfassende molekulargenetisch-diagnostische Abklärungen waren daher in den meisten Fällen nicht möglich. Die unter dem Sammelbegriff Next-Generation Sequencing (NGS) zusammengefassten Verfahren der Hochdurchsatzsequenzierung haben innerhalb weniger Jahre zunächst die humangenetische Forschung und dann die molekulargenetische Diagnostik revolutioniert. Dies hat weitreichende Implikationen für die individuelle Betreuung und Beratung von Patienten mit erblichen Augenerkrankungen und deren Familien.

Abstract

Many eye diseases have a genetic basis, and most can be caused by mutations in many different genes (extensive genetic heterogeneity). The retinal dystrophies are a good example: More than 200 genes have been identified for the isolated forms (Leberʼs congenital amaurosis, retinitis pigmentosa, cone-rod dystrophy, congenital stationary night blindness), and for syndromes that comprise additional dysfunctions or malformations of extraocular tissues and organs. Selecting genes for diagnostic testing has been difficult, and their analysis with the hitherto predominant DNA sequencing method (Sanger sequencing) has been extremely laborious: The phenotype rarely indicates the affected gene, and the contributions of the particular genes to the disease (e.g., to LCA) were largely unknown. Consequently, comprehensive genetic analyses were impossible in most cases. In the recent years, high-throughput sequencing technologies, summarized as next-generation sequencing (NGS), have revolutionized genetic research and, subsequently, genetic diagnostics. The latter has far-reaching implications for the individual management of patients with genetic eye diseases and their families.